Das bedeutet introvertiert sein für Deine nächste Präsentation

Eine introvertierte Frau hält die Hände vors Gesicht, um sich zu verstecken.

Eine Frage aus dem Trainingsalltag hat mich zu diesem Beitrag inspiriert. Es geht um Introvertiertheit. Konkret wurde ich gefragt, was introvertiert sein fürs Präsentieren bedeutet. 

Spontan konnte ich natürlich antworten. Es ging danach viel um Lampenfieber. Aber die Frage fand ich so gut, dass ich sie nochmal im Detail recherchiert habe. Denn introvertiert sein ist mehr als nur Nervosität vor einer Präsentation zu spüren.

Bevor wir allerdings auf die Auswirkungen schauen können, sollten wir verstehen, was introvertiert sein überhaupt heißt.

Introvertiert vs. extrovertiert

Bei den Begriffen handelt es sich um zwei verschiedene Ausprägungen des Persönlichkeitsmerkmals der „Extraversion“. Persönlichkeitsmerkmale beschreiben, wie Menschen sich in bestimmten Situationen verhalten und fühlen.

Konkret bedeutet das: Introvertierte Menschen sind eher ruhig, reflektiert und ziehen Energie aus der Stille oder aus kleineren, vertrauten Runden. Extrovertierte Menschen hingegen erleben Energie, wenn sie mit anderen interagieren. Sie wirken lebendig, suchen den Austausch und genießen es, im Mittelpunkt zu stehen. Auf Psychology Today findest Du weitere Erklärungen über in- und extrovertierte Menschen

Eine Abgrenzung von Introvertiert und extrovertiert anhand der Darstellung zweier Personen. Die eine zieht Energie aus dem Außen (extrovertiert), die andere aus dem Innen (introvertiert).

Introvertierte Personen ziehen Energie aus dem Inneren, extrovertierte aus dem Äußeren

Bei der beschriebenen Definition liegt die Vermutung nahe, dass extrovertierte Menschen besser präsentieren. Schließlich scheinen sie ja von Natur aus kommunikativ und offen zu sein. 

Doch genau hier lohnt sich ein differenzierter Blick. Denn viele Menschen, die sich selbst als introvertiert bezeichnen, halten hervorragende Präsentationen. Und zwar nicht trotz, sondern wegen ihrer Introvertiertheit.

Warum Introvertierte oft besser vorbereitet sind

Wer introvertiert ist, weiß oft genau, wie sich Unsicherheit anfühlt. Dieses Bewusstsein sorgt dafür, dass viele Introvertierte sich besonders gut vorbereiten. Sie durchdenken Inhalte sorgfältig, strukturieren ihre Argumente und legen Wert auf Klarheit. 

Während extrovertierte Menschen häufig spontan und flexibel reagieren, punkten Introvertierte Vortragende durch inhaltliche Tiefe und nachvollziehbare Logik.

Wenn Du also eher introvertiert bist, ist Vorbereitung Dein natürlicher Verbündeter. Du brauchst sie nicht als „Sicherheitsnetz“ zu sehen, sondern als Stärke. Gute Präsentationen entstehen selten aus dem Moment heraus. Sie entstehen durch Planung, um klassische Anfängerfehler bei einer Präsentation zu vermeiden.

Ein Tipp aus meiner Erfahrung: Nutze Deine Vorbereitung nicht nur für den Inhalt, sondern auch für den Ablauf. Überlege, wann Du bewusst Pausen machst, wann Du das Publikum einbeziehst, und wann Du Dir selbst einen Moment der Ruhe gönnst. Dadurch bleibst Du bei Dir. Und genau das wirkt souverän.

Wenn Aufmerksamkeit anstrengend ist

Für viele introvertierte Menschen fühlt sich eine Präsentation an, als würden sie im Rampenlicht stehen. Und genau das kostet sie Energie. Nicht, weil sie es nicht können, sondern weil sie ihre Energie aus anderen Quellen ziehen. Eine Präsentation bedeutet: viele Menschen, viele Blicke, viel Reizüberflutung.

Ein Mann steht auf der Bühne im Rampenlicht. Es ist nicht erkennbar, ob er introvertiert ist, da er grinst.

Als Moderator & Präsentationstrainer bin ich es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen

Ich kenne viele Menschen, die mir sagen: „Ich habe kein Problem mit Präsentieren – ich brauche nur danach meine Ruhe.“ Und genau das ist völlig normal. Wer introvertiert ist, regeneriert in der Stille. Das bedeutet nicht, dass Präsentationen nichts für Dich sind. Es bedeutet nur, dass Du danach Zeit brauchst, um wieder aufzutanken.

Plane Dir diese Zeit ein. Geh nach Deiner Präsentation nicht direkt in das nächste Meeting oder den nächsten Call. Mach einen Spaziergang, atme durch, gönn Dir ein paar Minuten für Dich. So bleibt Präsentieren nicht mit Stress verknüpft, sondern wird zu einer kontrollierbaren Aufgabe.

Die große Angst vor der Bewertung

Ein zentraler Punkt, warum introvertierte Menschen Lampenfieber oder gar Angst vor Präsentationen haben, ist die Angst vor Bewertung. Nicht unbedingt durch Noten oder Ergebnisse – sondern durch die Blicke und Reaktionen anderer. Viele Introvertierte denken während einer Präsentation: „Was denken die jetzt über mich?“

Und genau da entsteht Druck. Doch dieser Gedanke führt in eine Sackgasse. Denn Du kannst gar nicht kontrollieren, was andere über Dich denken. Was Du aber kontrollieren kannst, ist Dein Verhalten. Und das ist der Schlüssel.

Eine kleine Übung, die vielen hilft: Verändere den Fokus. Statt zu denken „Hoffentlich wirke ich souverän“, sag Dir: „Ich will, dass mein Publikum heute etwas mitnimmt.“ Damit lenkst Du die Energie weg von Dir selbst. Und hin zu Deinem Ziel. Diese Perspektivverschiebung kann Wunder wirken.

Warum Introvertierte oft tiefere Verbindungen schaffen

Ein weiterer Punkt, der häufig unterschätzt wird: Introvertierte Menschen sind oft besonders gut im Beobachten. 

Sie achten auf Zwischentöne, Körpersprache und Details. Diese Fähigkeiten machen sie zu hervorragenden Kommunikator:innen. Das gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, auf ein Publikum einzugehen.

In Präsentationen bedeutet das: Du spürst häufig, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, wenn jemand irritiert schaut oder wenn ein Thema noch nicht verstanden wurde. 

Ein Mann sitzt bei einer Konferenz auf einem Tisch und hört einem Sprecher interessiert zu

Als Moderator ist das Zuhören es eine meiner Kernaufgaben und Stärken

Nutze das. Reagiere bewusst darauf. Introvertiert zu sein heißt nicht, still zu bleiben – es heißt, aufmerksamer zu sein.

Viele meiner Trainings zeigen, dass genau das der Punkt ist, an dem Introvertierte ihre Stärke entdecken. Während andere mit Energie und Lautstärke punkten, überzeugen sie durch Tiefe, Ruhe und Authentizität.

Storytelling auf die introvertierte Art

Wer mich kennt, weiß, wie begeistert ich von Storytelling bin.

Vielleicht denkst Du: „Ich bin introvertiert, Geschichten erzählen liegt mir nicht.“ Aber Storytelling heißt nicht, laut zu sein oder Witze zu reißen. Es bedeutet, Verbindungen zu schaffen. Und das können Introvertierte richtig gut. 

Du musst keine spektakuläre Geschichte erzählen. Es reicht, authentisch zu berichten, was Dich bewegt, was Du beobachtet hast oder was Du gelernt hast. 

Gute Geschichten brauchen keine Dramatik. Gute Geschichten brauchen vor allem Bedeutung. Und das ist eine Stärke, die Introvertierte fast automatisch mitbringen.

Wenn Du magst, sammle kleine persönliche Anekdoten, die Du bei Gelegenheit einbauen kannst. Das macht Dich nicht nur greifbarer, sondern auch nahbarer. Ich führe hierfür beispielsweise ein Dankbarkeitstagebuch.

Mit Lampenfieber umgehen

Viele introvertierte Menschen kennen die typische Nervosität vor einem Auftritt: Herzklopfen, flache Atmung, zittrige Hände. Das ist völlig normal und übrigens kein Zeichen von Schwäche. Lampenfieber zeigt, dass Dir etwas wichtig ist.

Ich halte eine Präsentation vor einem Kamerateam. Für Introvertierte eine besonders große Herausforderung

Bei dieser Präsentation war ich auch etwas nervös. Deshalb ist man nicht gleich introvertiert.

Ein paar Strategien, die sich in meinen Coachings bewährt haben:

  • Akzeptiere das Gefühl. Versuch nicht, die Angst wegzudrücken. Sie gehört dazu.

  • Atme bewusst. Tiefes, ruhiges Atmen aktiviert den Parasympathikus – den Teil des Nervensystems, der für Entspannung sorgt.

  • Bewege Dich. Lockeres Gehen, Schultern kreisen oder leichtes Dehnen hilft, die Energie abzubauen.

  • Visualisiere Erfolg. Stell Dir vor, wie Du ruhig sprichst, lächelst, das Publikum reagiert. Das Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen Vorstellung und Realität.

Das alles sind Werkzeuge, die gerade Introvertierten helfen, mit der Anspannung von Lampenfieber umzugehen, ohne sie bekämpfen zu müssen.

Ruhe als Qualität und nicht als Schwäche

In vielen Unternehmen und Teams gilt immer noch: Wer laut ist, wird gehört. Wer viel redet, wirkt kompetent. 

Aber das ist ein Trugschluss. Introvertiert zu sein bedeutet nicht, leise zu sein. Es bedeutet, selektiv zu sprechen. Und das kann ein riesiger Vorteil sein. Das habe ich in meinem Beitrag über zwischenmenschliche Kommunikation mehr als deutlich gemacht.

Fazit: Stärke durch introvertierte Stille

Introvertiert zu sein bedeutet nicht, ungeeignet für Präsentationen zu sein. Ganz im Gegenteil!

Es bedeutet, dass Du Deine Präsentation auf Deine Art gestalten darfst. Du musst keine Rampensau sein, um zu begeistern. Du darfst ruhig sein, nachdenklich, strukturiert.

Ich bin mir sicher, dass Du genau so Dein Publikum überzeugen wirst!


Ralf Leister

Ralf Leister ist Präsentationstrainer. In praxisnahen Trainings unterstützt er Teams und Einzelpersonen dabei, ihre Botschaften klar, lebendig und überzeugend zu präsentieren – auf der Bühne, vor der Kamera und im digitalen Raum.

Auf https://www.ralfleister.com/ teilt er erprobte Präsentationstipps und Impulse für wirkungsvolle Kommunikation in der modernen Business-Kommunikation.

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