10 unverhandelbare kommunikative Fähigkeiten fürs Lehramt
Lehrkräfte formen die Zukunft unserer Gesellschaft. Das beginnt nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kindergarten – und reicht bis in die berufliche Weiterbildung. Ob es um frühkindliche Bildung, schulische Laufbahnen, die Ausbildung junger Menschen oder lebenslanges Lernen geht:
Wer im Lehramt tätig ist, übernimmt Verantwortung. Laut der Bundesagentur für Arbeit gab es 2023 in Deutschland rund 1,7 Millionen Lehrkräfte. Diese Zahl umfasst nicht nur Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, sondern auch Lehrende an Hochschulen, in der Erwachsenenbildung oder auf freiberuflicher Basis.
Als Dozent bin ich selbst eine dieser Personen und damit regelmäßig an verschiedenen Hochschulen im Einsatz. Und immer wieder erinnere ich mich dabei an meine eigene Zeit als Schüler oder Student.
Damals habe ich erlebt, wie sehr die Qualität der Lehre variieren kann – obwohl die Lehrkräfte in ihrem Fachbereich häufig sehr kompetent waren. Fachwissen allein reicht aber nicht aus.
Deshalb geht es in diesem Beitrag um zehn kommunikative Fähigkeiten, die im Lehramt unverzichtbar sind. Fähigkeiten, die sowohl im Lehramtsstudium und anderen pädagogischen Studiengängen vermittelt werden sollten, als auch im Berufsalltag den Unterschied machen.
Vor zwei Wochen war ich zuletzt selbst in der Schule im Einsatz, allerdings nicht als Lehrer, sondern für ein kurzes Präsentationstraining
Studienlage: Mehr Qualität in der Lehre gewünscht
Laut dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) sind viele Studierende mit der Lehre an deutschen Hochschulen zufrieden. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland sogar gut ab.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: Die Lessi-Studie der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in der 8.000 Lehrende befragt wurden, zeigt, dass rund 80 % eine Verbesserung der didaktischen Qualität für notwendig halten.
In Berufsschulen ist das Bild noch kritischer: Der Ausbildungsreport 2024 zeigt, dass nur etwa 55 % der Auszubildenden mit dem Berufsschulunterricht zufrieden sind. Das heißt im Umkehrschluss, dass 45 % unzufrieden sind.
Zeit also, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Welche kommunikativen Fähigkeiten braucht es wirklich, um im Lehramt nachhaltig zu wirken?
1. Fachkompetenz im Lehramt
Klingt selbstverständlich – ist es aber nicht. Fachkompetenz ist die Grundlage für jede Lehrtätigkeit. Wer im Lehramt erfolgreich sein will, muss sein Thema beherrschen.
Doch mehr noch: Du musst in der Lage sein, komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln und flexibel auf Fragen und Diskussionen einzugehen. Fachwissen ist das Fundament, auf dem alles andere aufbaut.
2. Einsatz der Körpersprache als Lehrkraft
Kommunikation besteht nicht nur aus Worten. Laut der bekannten Mehrabian-Regel hängt der Eindruck, den wir bei anderen hinterlassen, zu 55 % von unserer Körpersprache ab.
Die Mehrabian-Regel gilt auch im Lehramt
Für das Lehramt bedeutet das: Haltung, Gestik und Mimik beeinflussen maßgeblich, wie Deine Inhalte aufgenommen werden. Wer überzeugend auftreten will, muss sich seiner Körpersprache bewusst sein und sie gezielt einsetzen.
3. Einsatz der Stimme als Lehrerin
Nach der Körpersprache ist die Stimme das zweitwichtigste Instrument in der Kommunikation. Deine Stimme transportiert Emotionen, setzt Akzente und schafft Aufmerksamkeit.
Geschwindigkeit, Lautstärke, Melodie, Tonalität und Pausen – das sind die fünf Elemente, mit denen Du im Lehramt arbeiten solltest. Eine monotone Stimme ermüdet, während eine gut modulierte Stimme motivieren kann.
4. Nahbarkeit im Lehramt
Im Lehramt geht es um mehr als reine Wissensvermittlung. Lehrkräfte begleiten Lernende oft über Monate oder sogar Jahre. Eine gute Beziehung ist da unerlässlich.
Nahbarkeit bedeutet, dass Du als Mensch wahrgenommen wirst – nicht nur als Fachkraft. Authentizität, Wertschätzung und eine offene Haltung fördern das Vertrauen. Nur wer sich verstanden fühlt, ist bereit zu lernen.
5. Fähigkeit zu erklären als Lehrer
Albert Einstein sagte einmal:
„Wenn Du etwas nicht einfach erklären kannst, hast Du es nicht gut genug verstanden.“
Diese Fähigkeit ist im Lehramt essenziell. Es reicht nicht, nur den Lehrplan zu kennen. Du musst Inhalte auf unterschiedliche Weise erklären können – visuell, narrativ, durch Beispiele oder Vergleiche. So erreichst Du unterschiedliche Lerntypen und sorgst für nachhaltiges Verständnis.
Bei einer Panel-Diskussion bin auch sichtlich bemüht, etwas anschaulich zu erklären. Das braucht es auch im Lehramt
6. Umgang mit Rückfragen als Lehrkraft
Unterricht ist kein Monolog. Rückfragen sind ein Zeichen für Interesse – und manchmal auch für Verwirrung. In beiden Fällen gilt: Bleib geduldig, wertschätzend und offen.
Im Lehramt musst Du mit Rückfragen souverän umgehen können. Nicht jede Frage hat sofort eine Antwort, aber jede Frage verdient eine Reaktion.
7. Interaktive Methoden im Lehramt
Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Besonders im Lehramt ist es wichtig, Lernende aktiv einzubeziehen. Gruppenarbeiten, Diskussionen, Rollenspiele oder digitale Tools – je nach Kontext gibt es viele Möglichkeiten, interaktive Elemente einzubauen.
Sie fördern die Beteiligung, aktivieren Vorwissen und helfen beim Transfer in die Praxis. Dazu gehören Gruppenarbeiten oder auch digitale Tools zur Interaktion.
8. Die Kunst, Fragen zu stellen als Lehrerin
Hier spricht vielleicht etwas der Moderator in mir.
Gute Fragen öffnen Räume. Sie regen zum Nachdenken an, geben Impulse oder helfen beim Überprüfen des Gelernten.
Im Lehramt ist die Fähigkeit, Fragen zu stellen, mindestens genauso wichtig wie das Antworten. Offene, zielführende und wertschätzende Fragen fördern die Selbstreflexion und machen deutlich, dass Du den Lernprozess ernst nimmst.
9. Rhetorische Stilmittel als Lehrer
Fachwissen allein überzeugt selten. Wer im Lehramt Aufmerksamkeit erzeugen möchte, muss Inhalte lebendig präsentieren.
Rhetorische Stilmittel wie Metaphern, Vergleiche oder Kontraste helfen dabei. Sie machen Inhalte einprägsamer und aktivieren Emotionen. Wichtig ist, dass sie passend und dosiert eingesetzt werden – und nicht vom Inhalt ablenken.
10. Storytelling im Lehramt
Die Königsdisziplin. Geschichten sind das, was hängen bleibt. Sie helfen nicht nur beim Verstehen, sondern auch beim Erinnern. Ob es eine persönliche Anekdote ist, ein erfundenes Beispiel oder eine Metapher – Storytelling macht Inhalte greifbar.
In der fünften Klasse hat meine Mathelehrerin immer vom „Land der natürlichen Zahlen“ erzählt. Die Zahlen wurden zu Figuren mit Eigenschaften, die sich zusammen taten (Addition) oder trennten (Subtraktion). Diese Geschichten habe ich bis heute im Kopf. Genau das ist die Kraft des Storytellings – und im Lehramt Gold wert.
Weitere Kompetenzen, die angehende Lehrkräfte stark machen
Neben den zehn unverhandelbaren kommunikativen Fähigkeiten gibt es weitere Kompetenzen, die für das Lehramt entscheidend sind – insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Beziehungsgestaltung und pädagogische Wirksamkeit.
Manchmal werde ich von Schulklassen besucht. Dieses Bild entstand im Februar, als es darum ging, nachhaltige Ideen zu pitchen
Auch wenn sie nicht im Zentrum dieses Beitrags stehen, verdienen sie eine kurze Erwähnung:
Empathie: Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist zentral für eine respektvolle und wirksame Kommunikation im Klassenzimmer oder Hörsaal. Sie hilft dabei, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und echte Verbindungen aufzubauen.
Reflexionskompetenz: Lehrkräfte müssen ihr eigenes Verhalten, ihre Wirkung und ihre Entscheidungen regelmäßig reflektieren können – sowohl im Gespräch mit Lernenden als auch im Kollegium.
Frustrationstoleranz: Nicht jede Erklärung sitzt beim ersten Mal. Nicht jede Diskussion bleibt sachlich. Gerade in herausfordernden Situationen braucht es die Fähigkeit, ruhig zu bleiben und lösungsorientiert zu handeln.
Zeitmanagement: Kommunikation im Lehralltag ist häufig auch eine Frage der Priorisierung. Wer gut strukturiert arbeitet, kann sich besser auf die wichtigen Gespräche konzentrieren – und diese gezielt führen.
Authentizität: Wer glaubwürdig und authentisch kommuniziert, schafft Vertrauen. Gerade im Lehramt ist das ein zentraler Schlüssel für gelingende Beziehungen und nachhaltiges Lernen.
Fazit: Lehren heißt Beziehung
Kommunikation ist das zentrale Werkzeug im Lehramt. Sie entscheidet, ob Inhalte ankommen, Beziehungen entstehen und Lernprozesse gelingen. Wer Lehrkraft werden möchte – sei es im klassischen Lehramtstudium oder auf anderen Wegen – sollte die eigene Kommunikationsfähigkeit genauso ernst nehmen wie das fachliche Wissen.
Diese zehn kommunikativen Fähigkeiten bilden eine gute Grundlage. Sie lassen sich trainieren, reflektieren und weiterentwickeln. Denn gute Lehrkräfte werden nicht geboren – sie wachsen mit ihrer Aufgabe. Und Kommunikation ist dabei der wichtigste Schlüssel, bei dem ich als Trainer sehr gerne unterstütze.