Gastbeitrag: Stimmbildung oder auch Stimm-Bildung kann mehr als Du denkst
Die Stimme ist das wirkungsvollste und schönste Kommunikationsinstrument.
Und sie ist wichtig. Nicht nur für Schauspieler*innen, Profisprecher*innen und Sänger*innen, sondern für alle Menschen, die in ihrem beruflichen Alltag viel sprechen.
Doch erst wenn sie nicht mehr richtig funktioniert, wird ihr Aufmerksamkeit geschenkt. Etwa für eine wichtige Präsentation oder eine entscheidende Gesprächssituation.
Stimmbildung ist der Schlüssel. Sie öffnet die Tür dafür, dass die Stimme klangvoll, tragfähig und ausdrucksstark wird und bis ins hohe Alter gesund bleibt.
Was ist Stimmbildung eigentlich?
Genau gesagt ist Stimmbildung die Ausbildung der Stimme zum Singen beziehungsweise Sprechen.
Dabei wird in zwei Bereiche unterschieden: Die Ausbildung der professionellen Gesangs- und Sprechstimme und die funktionelle, physiologisch effektive Nutzung der Stimme.
Einfach gesagt: Stell dir deine Stimme wie ein Instrument vor. Du spielst es jeden Tag in den unterschiedlichsten Situationen: in Gesprächen, Meetings, Podcasts, beim Präsentieren im Unternehmen, vor Kunden oder auf öffentlichen Bühnen.
Wann hast du dein ganz persönliches Instrument zuletzt bewusst wahrgenommen, es gestimmt, gezielt gespielt?
Da setzt das Training der Stimme an: Du lernst, wie deine Stimme wirklich funktioniert – und wie du sie gezielt in diesen verschiedenen Situationen einsetzen kannst.
Übrigens: Es geht dabei nicht darum, wie jemand anderer oder besonders schön oder perfekt zu sprechen. Es geht darum, das Beste aus der eigenen Stimme herauszuholen und ein Bewusstsein zu schaffen, dafür, wie man selbst klingt und wie man klingen will. Ein Stimmbewusstsein.
Der ideale Raum für die Stimmbildung - eine professionelle Kabine
Die Vorteile einer professionellen und gezielten Stimmbildung liegen auf der Hand
Die Stimmstärke, die Stimmkontrolle und die Stimmgesundheit.
Drei Vorteile, die für die Stimmentwicklung elementar sind. Ein Beispiel:
Eine Person hat in ihrer Spontansprache eine entspannte, kraftvolle und klare Stimme. In Präsentationen jedoch klingt die Stimme leise, zittrig oder gepresst.
Was passiert da?
Die Stimme ist untrennbar mit der eigenen Persönlichkeit verbunden. Sie transportiert neben Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand auch die aktuelle Stimmung, die Einstellung zu sich selbst und zu der Situation, in der man sich gerade befindet.
Ist die Person in der Präsentation angespannt, ist der Körper in Hochspannung und Alarmbereitschaft. Damit sind auch die Muskeln im Kehlkopf angespannt. Es entsteht ein Engegefühl in der Kehle. Menschen sagen dann Sätze wie: „Da ist mir die Luft weggeblieben.“ oder „Ich habe einen Kloß im Hals.“.
Wenn die Person dann versucht, wieder „normal“ zu sprechen, aber nicht weiß, wie das geht und wie sie wieder Weite in die Kehle bekommt, kann es passieren, dass sie dabei hektisch einatmet. Dieses hektische „nach Luft schnappen“ geht mit zu viel Atemdruck einher und führt dazu, dass die Stimme „komisch“ klingt.
Eine entspannte Atmung ist die Grundlage für eine tragfähige Stimme und damit ein sicheres, kraftvolles Sprechen. Eine solide Atmung trägt ebenfalls dazu bei, einen Satz deutlich zu sprechen, ohne Wörter oder Wortendungen zu verschlucken. Eine Wohltat für die Zuhörenden.
In einer professionellen Stimmbildung werden gezielte Atemübungen eingesetzt, um die Atmung zu verbessern und um sie je nach Situation bewusst zu steuern. Die Coachees lernen, darüber die Stimme zu kontrollieren.
Sehr häufig werde ich gefragt: Kann man Stimmbildung selber lernen?
Klare Antwort: „Nein!“
Der Stimmklang ist ein komplexes Zusammenspiel aus Lungenfunktion, Kehlkopf, Stimmlippen und den Resonanzräumen (Mund- und Nasenhöhlen und Rachenraum).
Wer einfach drauflos übt, ohne wirklich zu wissen, wie die Stimme funktioniert, riskiert schnell mehr Schaden als Nutzen. Falsch eingesetzte Übungen können zu Stimmproblemen oder im schlimmsten Fall sogar zu Stimmverlust führen.
Erfahrene Stimmtrainer*innen wissen, worauf es anatomisch ankommt, kennen Begriffe wie Trachea (Luftröhre) oder Laryngitis (Kehlkopfentzündung) nicht nur aus dem Lehrbuch sondern aus der praktischen täglichen Arbeit mit den unterschiedlichsten Stimmen. Sie wissen, wie der Stimmapparat zusammengesetzt ist und wie dieses Wunderwerk funktioniert.
Der wichtigste Punkt in der Zusammenarbeit: Professionelle Trainer*innen bewerten nicht. Jede Stimme ist einfach besonders und Wert, sie liebevoll begleitend in ihre Kraft zu bringen.
Jeder Mensch ist einzigartig. Jede Stimme ist einzigartig - wie ein Fingerabdruck
Jede Stimme bringt andere Voraussetzungen, Erfahrungen und Prägungen mit. Somit braucht jede Persönlichkeit auch unterschiedliche Ansätze und damit verbunden exakt angepasste Stimm- und Sprechübungen.
Sprechen ist außerdem kontextabhängig, hängt also immer davon ab, wo und mit wem Menschen gerade sprechen.
Ein Beispiel:
Menschen sind dialogische Wesen. Deshalb ist das Sprechen vor Gruppen im Alltag auf einmal ungewohnt. Die Person steht vorne, schaut in Gesichter, die erwartungsvoll zurückblicken, und plötzlich wird ihr bewusst: Alle hören mir zu! Aber keine richtige Gesprächsperson, die zurück spricht. Es entsteht keine natürliche Gesprächsdynamik - ein Monolog findet statt.
Diese Situation kann irritieren, verunsichern und manchmal sogar ängstigen. Das spürt und hört das Publikum. Der Kopf sucht verzweifelt nach dem nächsten Satz, die Hände wollen sich irgendwo festhalten, während die Stimme macht, was sie will und der Atem immer hektischer wird.
Diese körperlichen und stimmlichen Übersprungshandlungen führen dazu, dass Menschen schneller oder langsamer, lauter, leiser, heller, monotoner usw. sprechen. Nervöses Räuspern oder eine gepresste Stimme sind auch Ausdrucksformen dieser inneren Anspannung.
Warum „einfache Tipps“ nicht einfach sind
Wohl gemeinte Sätze von Freunden oder Kolleg*innen wie: „Sprich doch einfach mal langsamer und mach mehr Pausen“ klingen erst einmal logisch, bringen aber selten echte Veränderung.
Wieso?
Was heißt eigentlich langsamer sprechen? Wie langsam ist langsam genug? Wo genau sollen diese Pausen hin? Wie lang darf so eine Pause sein, damit sie nicht unangenehm wirkt - für einen selbst, für die Zuhörenden? Und was, wenn ein Mensch von Haus aus viel Tempo mitbringt, im Denken, Fühlen, Reden?
Spannend: Wenn diese Fragen beantwortet werden und Menschen lernen, die Stimme genau in diesen ungewohnten Kontexten bewusst einzusetzen, kann sie sie auch dort tragen.
Für mich als Stimmtrainerin ist entscheidend, zu verstehen, wie ein Mensch in Situationen „tickt“. Was bewegt? Was blockiert? Wie klingt die Stimme, wenn es ernst wird und Anspannung entsteht? Und was braucht es alles, damit sie dennoch trägt? Ich betrachte in der Zusammenarbeit immer die gesamte Persönlichkeit meines Gegenübers. Mit diesem Vorwissen kann ich nach einem ausführlichen Auftragsgespräch und einer Stimmanalyse ein Training passgenau aufsetzen.
Menschen im Training erarbeiten sich dann das Zusammenspiel aus Instrument Stimme, Persönlichkeit und Atmung. Auch Tonhöhe, Klangfarbe, Modulation, Artikulation und damit verbunden das Wissen, wie alles miteinander harmonisch in Einklang kommt - vergleichbar wie in einem Orchester.
Dieses erlernte, sichere Sprechen unterscheidet den Laien vom Profi: In der Lage zu sein, in verschiedenen Situationen die Stimme bewusst einzusetzen, damit genau in dem Moment das gesagt wird, was gesagt werden will - inhaltlich wie klanglich.
Die Arbeit an der eigenen Stimme braucht Zeit und Struktur
Memo an dich: Liebe und pflege deine Stimme
Alle Menschen können in ihrem Stimm- und Sprechalltag etwas tun: Die eigene Stimme pflegen, schonen und vor allem - sie liebevoll annehmen.
Was du ganz einfach tun kannst: Über den Tag verteilt ausreichend trinken, um den Körper und die Stimmlippen „feucht zu halten.“. Die Flüssigkeit selbst kommt zwar nicht direkt über das Trinken an den Stimmlippen an, jedoch durch den Transport über die Blutbahn gelangt auch Feuchtigkeit in diesem winzig kleinen - und dennoch großartigen - Muskelpaar an.
Ein weiterer wichtiger Impuls: Die Stimme vor einem sprechintensiven Tag aufwärmen.
Denn: Die Stimme braucht tatsächlich – und das überrascht viele – bis zu drei Stunden, bis sie vollständig aufgewärmt ist.
Ein gutes Warm-up beginnt immer beim Körper: Die Schultern nach hinten kreisen, den Körper ausschütteln, sich in alle Richtungen räkeln. Danach ist der Mundraum dran: Die Zunge weit herausstrecken und hin und her bewegen, Grimassen schneiden, die Lippen flattern lassen und zu Kussmündchen bewegen.
Das sieht vielleicht nicht elegant aus, aber darum geht es auch nicht. Ziel ist es, die Muskulatur zu lockern, die Durchblutung zu fördern und die Stimme geschmeidig und einsatzbereit zu machen
Lockeres Summen auf dem Konsonanten /m/ bringt die Stimmlippen in Schwingung und ist auch eine tolle Übung für zwischendurch, die die Stimme entlastet, sanft regeneriert und wieder locker zum Schwingen bringt.
Das Schöne ist: Diese Übungen lassen sich problemlos in den Sprechalltag integrieren. Nach langem Sitzen helfen sie, den Körper und damit auch den Sprechapparat wieder zu lockern. Nach dem Sprechen tut es gut, den Mundraum zu entspannen. Und wenn die Stimme eine kleine Massage braucht: einfach summen.
Auch die Stimme braucht Pausen
Generell gilt: Nach einem sprechintensiven Tag braucht die Stimme Erholung. Stilles Wasser, Tee oder milde Säfte unterstützen die Regeneration von innen. Ein Vernebler kann zusätzlich helfen, die Stimmlippen direkt mit Feuchtigkeit zu versorgen. Bei Überanstrengung gilt: So oft wie möglich schweigen, damit die Stimme wirklich zur Ruhe kommen kann.
Das Wichtigste: Beschäftige dich immer freundlich mit deiner Stimme und lerne, dich gut mit ihr zu identifizieren.
Verschicke Sprachnachrichten und entdecke deinen Stimmklang mit Neugier und Wohlwollen. Wähle drei positive Klangadjektive für deine Stimme. Hier sind ein paar Beispiele: warm, freundlich, deutlich, klar, kräftig, lebendig, einfühlsam, fröhlich, facettenreich, charmant usw. Schon das verändert den Blick auf die eigene Stimme - und damit auch den Klang.
Professionelle Stimmbildung ist ein Schatzkästchen…
… und die Stimme ist wie ein Rohdiamant, aus dem mit dem richtigen Feinschliff ein echtes Klangerlebnis wird.
Wer die eigene Stimme pflegt, liebevoll mit ihr umgeht und sie regelmäßig trainiert, wird spüren, wie sie an Ausdruck, Kraft und Leichtigkeit gewinnt und wird mit einer klangvollen, belastbaren und gesunden Stimme belohnt - bis ins hohe Alter.
Denke immer daran: Die Stimme öffnet Ohren. Eine gut ausgebildete Stimme aber öffnet Herzen - damit Worte nicht nur gehört, sondern auch gefühlt werden.
Unsere heutige Gastautorin: Anne Weller
Vielen Dank an die großartige Anne Weller für diesen Gastbeitrag. Wenn Du mehr über Annes Angebot erfahren möchtest, empfehle ich Dir ihre Webseite.